Landesgeschichte Sachsen-Anhalt
Das
Land Sachsen-Anhalt existierte als administrative Einheit lediglich während des
kurzen Zeitraums zwischen dem 9. Juli 1945 und dem 25. Juli 1952, bevor es am
14. Oktober 1990 als neues Bundesland der Bundesrepublik Deutschland seine
Wiedergeburt erlebte. Es nimmt im wesentlichen den historischen Raum zwischen
Altmark und Unstrut bzw. vom Fläming bis zum Harz ein.
Charakteristisch für die Geschichte des sachsen-anhaltischen Territoriums ist, dass die Ausbildung großer, geschlossener Landesherrschaften unterblieb, da der Raum an mittlerer Elbe und unterer Saale seit dem ausgehenden Mittelalter zunehmend in die Einflusssphäre der um die Vorherrschaft in diesem Gebiet und um die Verfügung über das Erzbistum Magdeburg rivalisierenden mächtigen Nachbarn, der Kurfürstentümer Brandenburg und Sachsen, geriet. Diese Konstellation ermöglichte die Fortexistenz zahlreicher kleiner weltlicher Territorien (von denen weiter unten nur die wichtigsten aufgeführt werden können).
Erst im 19. Jahrhundert wurde das Fundament für die spätere verwaltungsmäßige Einheit - zunächst im größeren Rahmen des preußischen Staates - gelegt, als im Ergebnis des Wiener Kongresses von 1814/15 die preußische Provinz Sachsen entstand. Keine Provinz des preußischen Staates besaß "einen derart zusammengewürfelten Charakter wie die Provinz Sachsen" (Thomas Klein).
Das
bis 1863 zersplitterte, eher in kultureller als in politischer Hinsicht
bedeutsame und zunehmend in die Abhängigkeit von Preußen geratene Anhalt wurde
im Jahre 1945 mit der ehemaligen preußischen Provinz Sachsen (ohne
Regierungsbezirk Erfurt) vereinigt. Aus dem neukonstituierten Land
Sachsen-Anhalt entstanden 1952 die Bezirke Halle und Magdeburg der Deutschen
Demokratischen Republik, die sich nach deren Untergang im Jahre 1990 zum
zweitenmal zum Land Sachsen-Anhalt formierten.
Kommentierte Datenleiste zur Territorialentwicklung seit dem Ausgang des Mittelalters
1423 | Belehnung des Wettiners Friedrich IV., des Streitbaren, mit dem Herzogtum Sachsen-Wittenberg und der Kurwürde durch Kaiser Sigismund, Übertragung des Namens des Herzogtums Sachsen auf die gesamte wettinische Territorialherrschaft bis Meißen. |
1449 | Aufgabe der Lehenshoheit des Erzstifts Magdeburg über die Altmark. |
1468 | Erlöschen des Hauses Bernburg der Fürsten von Anhalt. Nochmals Vereinigung aller anhaltischen Gebiete durch die bereits vorwiegend in Dessau residierenden Fürsten von Anhalt-Zerbst. |
1479 |
Verbindung Halberstadts mit Magdeburg in Personalunion (bis 1566) durch Erzbischof Ernst II. von Magdeburg. |
1485 |
Leipziger Teilung führt zur dauernden Aufteilung der wettinischen Territorien in die ernestinischen und die albertinischen Lande; Wittenberg Residenz der ernestinischen Kurlinie (Friedrich der Weise 1486-1525). |
1502 | Gründung der Universität Wittenberg durch Friedrich den Weisen. |
1513-1541 | Halle unter Kardinal Albrecht ein Zentrum der deutschen Frührenaissance. |
1517 |
Martin Luthers 95 Thesen über den Ablass; Auftakt zur Reformation |
1525 |
Thüringischer Bauernkrieg mit Ausläufern im nördlichen Vorharzgebiet und in Anhalt; Schlacht bei Frankenhausen (14./15.5.) |
1547 | Wittenberger Kapitulation: Beendigung des Schmalkaldischen Krieges; Übertragung der Kurwürde und des Kreises Wittenberg (Verlust der Residenz) von den Ernestinern auf die Albertiner. |
1561-1564 | Das Bistum Merseburg und das Stift Naumburg fallen an Kursachsen. |
1566 | Ende der Personalunion zwischen dem Erzstift Magdeburg und dem Bistum Halberstadt. |
1570 | Wiedervereinigung der anhaltischen Lande durch den Dessauer Fürsten Joachim Ernst nach dem Aussterben der übrigen askanischen Linien. |
1603 | Erneute Teilung Anhalts unter den Söhnen des Fürsten Joachim Ernst; Entstehung der jüngeren Hauptlinien Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Anhalt-Bernburg und Anhalt-Zerbst. |
1617 | Gründung der "Fruchtbringenden Gesellschaft" ("Palmenorden"), älteste und größte der deutschen Tugend- und Sprachgesellschaften, durch Ludwig von Anhalt-Köthen und drei Herzöge von Sachsen (24.8.); Ziel: Reinigung der deutschen Sprache und Pflege der deutschsprachigen Wissenschaft und Kunst. |
1631 | Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen unter Tilly und Pappenheim (20.5.). |
1632 | Schlacht bei Lützen (16.11.). |
1648 | Westfälischer Frieden; Übertragung des Erzbistums Magdeburg (nach dem Tode des Administrators) als Herzogtum und des Bistums Halberstadt als Fürstentum an das Haus Brandenburg. |
1656/57 |
Sächsische Erbteilung nach dem Tode Kurfürst Johann Georgs I. (8.10.1656), Entstehung der albertinischen Seitenlinien (Sekundogeniturfürstentümer) Sachsen-Zeitz (bis 1718), Sachsen- Merseburg (bis 1738), Sachsen-Weissenfels (bis 1746; mit Linien in Querfurt und in Barby,1680). |
1680 | Mit dem Tod des Administrators August von Sachsen fällt das Erzbistum/Herzogtum Magdeburg gemäss den westfälischen Friedensbestimmungen an Brandenburg (14.6.). |
1686 | Beginn der Hugenotteneinwanderung (Magdeburg, Halle, Stendal, Halberstadt, Calbe, Burg, Neuhaldensleben); Aufhebung des Magdeburger Schöffenstuhls durch Kurfürst Friedrich Wilhelm zugunsten von Brandenburg. |
1693-1747 | Regierungszeit Leopolds I. von Anhalt-Dessau (der "Alte Dessauer") |
1694 |
Gründung der Universität Halle; Zentrum der deutschen Frühaufklärung; 1727: mit Anton Wilhelm Amo aus Ghana erstmalig ein Afrikaner an einer deutschen Universität immatrikuliert 1742: mit 1500 Studenten höchste Studentenzahl einer deutschen Universität im 18. Jh.; 1754: Dorothea Erxleben, Ärztin in Quedlinburg, promovierte als erste Frau an der Universität Halle zum Dr. med. |
1698 | Gründung der Franckeschen Stiftungen in Halle durch August Hermann Francke; Halle wird Zentrum des frühen Pietismus. |
1714 |
Vereinigung der wichtigsten Landesbehörden des Herzogtums Magdeburg in Magdeburg durch Verlegung der Regierung, des Konsistoriums, der Amtskammer und des Archivs von Halle nach Magdeburg, wo bereits das Kommissariat und der ständige Engere Ausschuß, das ausführende Organ der Stände, ihren Sitz haben. |
1757 |
Schlacht bei Roßbach: Sieg preußischer Truppen unter Friedrich II. über ein französisches Heer und die Reichsexekutionsarmee (5.11.). |
1751-1817 | Regierungszeit Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau ("Vater Franz") im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus. |
1774 | Gründung des Philanthropins, einer überkonfessionellen Musterschule, in Dessau. |
1793 | Mit dem Ableben von Fürst Friedrich August erlischt die Linie Anhalt-Zerbst; Bernburg, Dessau und Köthen teilen sich das Erbe. |
1806 | Fürst Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg erhält den Herzogtitel (17.4.); Magdeburg wird vom Gouverneur v. Kleist kampflos den unterlegenen französischen Truppen unter Marschall Ney übergeben (11.11.); am 24.5.1814 von den Franzosen an Preußen übergeben; Friedensvertrag von Posen: Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. schließt sich Napoleon an und tritt, zum König erhoben, dem Rheinbund dei (11.12.). |
1807 |
Beitritt der drei anhaltischen Staaten zum Rheinbund (April); Fürst August von Anhalt-Köthen und Fürst Leopold Franz von Anhalt-Dessau erhalten den Herzogtitel (22.6.). |
1807-1813 | Königreich Westfalen; Bildung zweier Departements im sachsen-anhaltischen Raum aus den preußischen Herrschaftsgebieten unter Einschluss braunschweigischer und hannoverscher Enklaven: - Elbe-Departement mit Präfektensitz Magdeburg (erzstiftische und altmärkische Gebiete); Distrikte Magdeburg, Neuhaldensleben, Stendal, Salzwedel; - Saale-Departement mit Präfektensitz Halberstadt (restliche magdeburgische und die meisten halberstädtischen Gebiete, Grafschaften Blankenburg und Stolberg, Abtei Quedlinburg); Distrikte Halberstadt, Halle, Blankenburg; (ausserdem geringfügige Gebiete des Oker- und des Harz-Departements). |
1815/16 |
Gründung der Provinz Sachsen: 1815 Festlegung der territorialen Zusammensetzung und administrativen Gliederung der neuen Provinz durch die Königlich-preußische Regierung (30.4.); Unterzeichnung des Vertrags über die Abtretung von annähernd 3/5 des sächsischen Königreichs an Preußen durch König Friedrich August I. von Sachsen (21.5.); König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ergreift formel von den neuen Gebieten Besitz (22.5.). 1816 Aufnahme der Regierungsgeschäfte durch den ersten Oberpräsidenten der Provinz Sachsen in Magdeburg (1.4.), Präsidenten der Regierungsbezirke Magdeburg, Merseburg und Erfurt sowie die Oberlandesgerichte in Magdeburg, Halberstadt und Naumburg beginnen mit ihrer Tätigkeit. |
1817 |
Vereinigung der Universität Wittenberg mit der Universität Halle zur Vereinigten Friedrichs- Universität Halle-Wittenberg. |
1826-1828 | Nach einem 1818 einsetzenden Zollkrieg Beitritt der drei anhaltischen Länder Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen und Anhalt-Dessau zum preußisch geführten Zollverein; in der Folge Zusammenwachsen mit der preußischen Provinz Sachsen auf wirtschaftlichem Gebiet. |
1847 | Erlöschen des Herrscherhauses Anhalt-Köthen mit dem Tod des Herzogs Heinrich. Das Herzogtum kommt in den gemeinsamen Besitz von Bernburg und Dessau unter Dessauer Seniorat und fällt 1853 gegen Entschädigung Bernburgs an Dessau. |
1863 | Erlöschen des Herrscherhauses Anhalt-Bernburg mit dem Tod des Herzogs Alexander Karl, dessen Herzogtum ebenfalls an die Dessauer Linie fällt; Wiedervereinigung der anhaltischen Lande zu einem Herzogtum unter der Linie Dessau unter Leopold Friedrich (1817-1871). |
1866/67 | Beitritt Anhalts zum Norddeutschen Bund im Vorfeld der Reichseinigung 1870/71. |
1918/19 |
Novemberrevolution. Preußen und Anhalt werden Freistaaten. 1919 Der anhaltische Landtag beschließt für den Freistaat Anhalt eine Verfassung (18.6.) |
1932 | Nationalsozialistische Machtübernahme in Anhalt: Alfred Freyberg (NSDAP) vom anhaltischen Landtag zum ersten nationalsozialistischen Ministerpräsidenten in Deutschland gewählt (20.5.). |
1933 | "Gleichschaltung" des Freistaates Anhalt mit dem Reich; Auflösung der Kreistage, der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeinderäte in Anhalt (April).
Ernennung des Gauleiters des Gaues Magdeburg-Anhalt der NSDAP zum Reichsstadthalter für Braunschweig und Anhalt durch Hitler, Amtssitz Dessau (5.5.).
Auflösung des Provinziallandtages und des Landtages in Anhalt sowie der unter dieser Ebene liegenden parlamentarischen Körperschaften im Zusammenhang mit der endgültigen Auflösung des Reichstags (14.10.).
Die hallische Universität erhält den Namen Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (10.11.). |
1934 | "Gleichschaltung" Preußens mit dem Reich (18.6.); Gleichstellung des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen mit den Reichsstatthaltern. |
1944 | Auflösung der Provinz Sachsen: Erhebung der Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg zu Provinzen in Anlehnung an die "Reichsverteidigungsbezirke"; Angliederung des Regierungsbezirks Erfurt an das Land Thüringen. An die Spitze der Provinz Magdeburg und Halle-Merseburg treten die Gaue Magdeburg-Anhalt bzw. Halle-Merseburg zuständigen Gauleiter als Oberpräsidenten (1.7.). |
1945 | Eingliederung der seit April 1945 zum grössten Teil von US-amerikanischen und britischen Truppen besetzten Provinz Magdeburg und Halle-Merseburg sowie Anhalts in die sowjetische Besatzungszone (1.7.) Bildung der Provinz Sachsen aus den bisherigen Provinzen Magdeburg, Halle-Merseburg sowie dem Freistaat Anhalt; Halle Sitz der Provinzialverwaltung; Bildung der Bezirke Magdeburg, Dessau und Merseburg als mittlere Verwaltungsinstanzen (1947 wieder aufgelöst).
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1946 | 2. Landtagssitzung: Erhebung des bisherigen Präsidiums der Provinz Sachsen in den Rang einer Regierung (Erhard Hübener, LDP, Ministerpräsident und Justizminister); Beschluss zur Umbenennung der Provinz Sachsen-Anhalt (3.12.). |
1947 | Verfassung für die Provinz Sachsen-Anhalt (10.1.)
Sachsen-Anhalt (6.10.; rückwirkend gültig ab 21.7.1947). |
1952-1990 | Bezirke Halle und Magdeburg (23.7.1952 Gesetz der Volkskammer der DDR über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern). |
1990 | Sachsen-Anhalt eines der fünf neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland. Wahl des Landtags (14.10.); Der Landtag bestimmt Magdeburg als Landeshauptstadt und Sitz des Landtages (28.10.). |
Die Archivgeschichte des
heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt zu bearbeiten, heißt im wesentlichen, die
Geschichte der "Hauptarchive" der beiden Landesteile - der ehemaligen
preußischen Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt - darzustellen.
Die folgenden Ausführungen
konzentrieren sich daher auf die Entstehung und Entwicklung des heutigen
Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt mit seinen Abteilungen in Magdeburg, Dessau und Merseburg.
Das Landeshauptarchiv
Sachsen-Anhalt Abteilung Magdeburg
Im Zuge des Aufbaus und der Neuordnung des Archivwesens in den preußischen Provinzen unter Hardenberg wurde im Jahre 1823 das Provinzialarchiv Magdeburg, Vorgänger des bis 2001 bestehenden Landesarchivs, eingerichtet. Es war zuständig für die 1816 neu gebildete Provinz Sachsen. Seine vorrangige Aufgabe bestand darin, das Archivgut der zahlreichen in der Provinz Sachsen aufgegangenen Territorien sowie der weltlichen und geistlichen Herrschaften (s. dazu den landesgeschichtlichen Abschnitt) zu sichern und zusammenzuführen.
Neben dem Provinzialarchiv bestanden bereits seit 1821 drei ebenfalls auf Anordnung Hardenbergs eingerichtete Regierungsarchive an den drei Regierungssitzen in Magdeburg, Merseburg und Erfurt. Sie waren zuständig für das seit Errichtung der Provinz bei den drei Regierungen anfallende Schriftgut, während die älteren Bestände der Regierungen Magdeburg und Erfurt sowie die Urkunden aus dem Regierungsarchiv Merseburg im Provinzialarchiv in Magdeburg zentralisiert wurden.
Bis zur Einrichtung des
zentralen Provinzialarchivs betreute Ludwig Christian Stock in Magdeburg die
Archive des ehemaligen Erzbistums und - seit 1648 - Herzogtums Magdeburg
einschließlich der Klosterarchivalien dieses Sprengels.
In Erfurt befanden sich
unter der Aufsicht von Heinrich August Erhard die Akten der dortigen Mainzer
Kammer und Regierung und das 1664 von Mainz beschlagnahmte Erfurter
Stadtarchiv.
In Merseburg schließlich wurden die Archivalien der an Preußen abgetretenen kursächsischen Gebiete und die aus Dresden abzuliefernden Bestände (Zentralakten, keine Urkunden) vereinigt.
Im Jahre 1823 wurden das Archivdepot in Halberstadt mit den Archiven des Bistums, des Fürstentums und seiner Klöster und das Depot in Quedlinburg mit dem Archiv der Abtei aufgelöst und mit den älteren Beständen der Regierung Magdeburg in das neu eingerichtete Provinzialarchiv verbracht. Ein Jahr später siedelte Erhard mit einem Teil des Erfurter Regierungsarchivs, mit dem inzwischen das Heiligenstädter Archivdepot mit Archivalien der Mainzer Kammer und Regierung für das Eichsfeld vereinigt worden war, nach Magdeburg über. Aus Merseburg holte man 1825 nur den dortigen - allerdings geringen - Bestand an Urkunden, während die Akten von der dortigen Regierung noch nicht freigegeben wurden. Die drei Regierungsarchive blieben für die noch kurrenten Bestände neben dem Provinzialarchiv für die "abgeschlossenen Verhandlungen" und die aufgelösten geistlichen und weltlichen Herrschaften bestehen. Erst zur Jahrhundertwende wurden die drei Regierungsarchive aufgelöst (Erfurt 1899, Magdeburg 1901, Merseburg 1909) und ihre Bestände in das Staatsarchiv Magdeburg überführt.
Untergebracht war das Provinzialarchiv der Provinz Sachsen im 19. Jahrhundert im Magdeburger Dom: die Akten im Remter, die Urkunden in der Marien- und Redekinkapelle. Mit der Auflösung der Regierungsarchive Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts und der damit verbundenen umfangreichen Aktenübernahme aus den Registraturen der Behörden und Gerichte wurde der Platz knapp. Ein Um- und Ausbau des Rempters für Archivzwecke in den Jahren 1896 bis 1898 schuf nur kurzzeitig Abhilfe. Im Jahr 1907/1908 wurde deshalb unweit des Domes in der damaligen Augustastraße, heute Hegelstraße, ein Archivzweckbau im neogotischen Stil errichtet.
Neben der Rückführung der kriegbedingt ausgelagerten Bestände nach Magdeburg standen nach dem zweiten Weltkrieg wiederum umfangreich Schriftgutübernahmen der aufgelösten Behörden und Gerichte der ehemaligen Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg, des Oberbergamts Halle und der 1952 aufgelösten Landesregierung Sachsen-Anhalt an. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch die umfangreichen Bestände der im Rahmen der Bodenreform enteigneten Gutsarchive.
Mit der Verwaltungsreform von 1952 und der Auflösung der Länder war das Landes- und spätere Staatsarchiv Magdeburg zuständig für die neu eingerichteten Bezirke Halle und Magdeburg. Eine Besonderheit des Archivwesens in der DDR war, dass die staatlichen Archive nicht nur das archivwürdige Schriftgut der Behörden und Gerichte übernahmen, sondern auch das der Wirtschaft. Laut "Verordnung über das staatliche Archivwesen" vom 11.3.1976 gehörte zum "staatlichen Archivfonds" auch das "Archivgut der Organisation, Betriebe und Einrichtungen der kapitalistischen und feudalistischen Wirtschaft" (§4) sowie der wirtschaftsleitenden Organe der Bezirke, der volkseigenen Betriebe und Kombinate, sofern diese nicht ein eigenes Archiv unterhielten.
Mit dem Ende der DDR kamen umfangreiche Schriftgutübernahmen der zahlreichen aufgelösten Behörden, Gerichte und Betriebe sowie der Parteien und Massenorganisationen der DDR auf die staatlichen Archive zu, ein Prozess, der zum Teil heute noch nicht abgeschlossen ist. Das Landesarchiv Magdeburg - Landeshauptarchiv - war zunächst zuständig für das gesamte Bundesland. Nach der Einrichtung von zwei weiteren Landesarchiven in Oranienbaum (heute Abteilung Dessau des LHA Sachsen-Anhalt) - für den Regierungsbezirk Dessau - und in Merseburg - für den gleichnamigen Regierungsbezirk - mussten umfangreiche Bestandstrennungen und -ablieferungen vorgenommen werden. Die neuen Landesarchive sind nämlich nicht erst für das künftig in ihrem Sprengel bei den Behörden und Gerichten entstehende Schriftgut zuständig, sondern bereits für das der Vorgängereinrichtungen seit 1815. Dagegen befindet sich das gesamte Archivgut der Provinz Sachsen aus der Zeit vor 1815 weiterhin zentral in Magdeburg.
Die wechselvolle Geschichte
des Landesarchivs Magdeburg spiegelt sich auch in seinem Namen wider. Seit dem
1. Januar 1951 trug das bisherige Staatsarchiv Magdeburg die Bezeichnung
"Landesarchiv", seit dem 1. April 1951 die Bezeichnung
"Landeshauptarchiv". Im Jahre 1965 wurde es im Rahmen der
organisatorischen Neuordnung des Archivwesens in der DDR als "Staatsarchiv
Magdeburg" der "Hauptabteilung Archivwesen" und späteren "Staatlichen
Archivverwaltung" im Ministerium des Innern der DDR unterstellt. Nach der
Wiedervereinigung und der Wiederherstellung des Landes Sachsen-Anhalt
untersteht das Landesarchiv Magdeburg seit dem 1.1.1991 dem Ministerium des
Landes Sachsen-Anhalt. Nachdem es kurzzeitig nach der Wende
"Landeshauptarchiv" hieß, trug es danach die offizielle Bezeichnung
"Landesarchiv Magdeburg - Landeshauptarchiv". Die Doppelbezeichnung -
ein politischer Kompromiss - trug sowohl seiner Stellung innerhalb der
Archivorganisation des Bundeslandes als auch seinen Zuständigkeiten Rechnung: das Magdeburger Archiv war
Hauptarchiv des Landes Sachsen-Anhalt und als solches für die Übernahme des
Schriftguts der Landesregierung und obersten Regierungsstellen, Behörden und
Gerichte des Landes zuständig gewesen; zugleich war es Landesarchiv für den
Regierungsbezirk Magdeburg. Organisatorisch und hierarchisch war es jedoch den
beiden anderen sachsen-anhaltischen Landesarchiven in Dessau und Merseburg
völlig gleichgestellt.
Rep. U | Urkunden und Kopiare |
Rep. A | Akten bis 1806 |
Rep. B | Akten des Königreichs Westfalen (1806-1813) |
Rep. C | Akten der Übergangsbehörden (1813-1815) und der preußischen Behörden (1815-1945) |
Rep. D | Ämter |
Rep. E | Deposita und Nachlässe |
Rep. F | Bergarchiv |
Rep. G | Reichsbehörden |
Rep. H | Gutsarchive |
Rep. K | Landesregierung und Landtag 1945-1952; Bezirksverwaltungen und Kreisverwaltungen; Behörden, Gerichte, Parteien und Massenorganisationen der DDR ab 1952 (u.a. Rat des Bezirks Magdeburg, Räte der Kreise; SED-Bezirksparteiarchiv) |