Einführung in das Findmittel

Inhalt:
1.   Vorwort
2.   Biographie Wenzels
3.   Einführung in die Diplomatik der Wenzelurkunden
  3.1   Der Relationskonzeptvermerk
  3.2   Der Registervermerk
  3.3   Klassifikation der Schriftstücke
   3.3.1 Diplome
   3.3.2 Mandate
   3.3.3 Briefe
4.   Die Siegel König Wenzels und seiner Hofrichter
5.   Arbeitsprotokoll
  5.1   Auswahl der relevanten Bestände
  5.2   Durchsicht der Repertorien
  5.3   Ausheben der Urkunden und Kopiare
  5.4   Festlegung der Transkriptions- und Regestierungsrichtlinien sowie der Formalbeschreibung
  5.5   Bearbeitung der Urkunden und Durchsicht der Kopiare
  5.6   Abgleich der Originale mit den Kopiaren
  5.7   Arbeiten zur Erstellung des Findbuches
  5.8   Richtlinien für Transkription, Regest und Formalbeschreibung
6.   Auswahlbibliographie
7.   Abkürzungen

 

1. Vorwort

Das vorliegende sachthematische Inventar über die im Staatsarchiv Marburg in Ausfertigung oder Abschrift überlieferten Urkunden König Wenzels ist aus einer Urkundenübung des 31. Wissenschaftlichen Kurses der Archivschule Marburg heraus entstanden, die unter der Leitung von Dr. Karsten Uhde im April 1997 stattfand. Vorausgegangen waren umfangreiche Recherchen in allen einschlägigen Beständen des Staatsarchivs Marburg, um die angestrebte Vollständigkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus wurde auch die wichtigste Forschungsliteratur zu König Wenzel berücksichtigt, wobei hier vor allem die Untersuchung von Hlavacek zu nennen ist, die als zentrales Hilfsmittel fungierte.
Anschließend wurden die aufgefundenen Archivalien gelesen, transkribiert und regestiert. Schließlich wurden die Formalbeschreibungen angefertigt. In einem zweiten Schritt wurde das Inventar mit einer Einleitung, den Regesten und zwei Indices angefertigt. Dabei besteht die Einleitung aus einigen kurzen Einführungen in Biographie, Diplomatik und Sphragistik sowie einem ausführlichen Arbeitsprotokoll und einer Literaturliste.
In einem letzten Schritt wurde das entstandene Inventar für das Internet als Online-Findmittel auf der Basis einer Textdatei aufgearbeitet, worüber ein
Arbeitsbericht entstand.


 

 

2. Biographie König Wenzels

1361 Februar 26 Wenzel wird in Nürnberg geboren Vater: Karl IV. Mutter: Anna von Schweidnitz-Jauer
1361 April 11 Taufe auf den Premyslidennamen Wenzel durch den Erzbischof von Prag
1363 Juni 15 (Veitstag): Krönung als Wenzel IV. zum böhmischen König in Prag
1365 September 29 Hochzeit Wenzels mit Johanna, Tochter des Herzogs Albrecht I. von Bayern. Wenzel war insgesamt zweimal verheiratet; keine Kinder
1376 Juni 10 Wahl Wenzels zum römischen König durch die Kurfürsten in Frankfurt am Main
1376 Juli 6 Krönung in Aachen
1376 November 29 Tod Karls IV.
1389 Zweite Ehe mit Sophie von Bayern
1393  König Wenzel läßt als Folge einer Auseinandersetzung mit der Kirche in Böhmen in einem Wutanfall den Generalvikar des Erzbischofs Johannes von Jensenstein, Johannes von Nepomuk, gefangennehmen. Johannes von Nepomuk wird gefoltert und anschließend in der Moldau ertränkt. Dadurch verfestigte sich der gewaltätige Ruf Wenzels.
1394 Mai-
1394 August
1. Gefangennahme Wenzels, u.a. daran beteiligt: Jost von Mähren, Vetter Wenzels
1397 Mai Frankfurter Fürstentag: die Fürsten fordern König Wenzel auf, einen Stellvertreter im Reich einzusetzen. Daraufhin kommt er nach zehnjähriger Abwesenheit zurück in das Reich.
1399 Mai-
1400 August 11
Absetzungsverhandlungen im Reich. Die Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier und der Pfalz treffen in Oberlahnstein zusammen, um die Absetzung König Wenzels festzulegen; Wenzel kommt der Aufforderung, in Oberlahnstein zu erscheinen nicht nach.
1400 August 20 Absetzung König Wenzels als römischen König; Nachfolger: Ruprecht III. von der Pfalz. Wenzel persönlich hat auf den Titel eines römischen Königs nie verzichtet und führt ihn auch weiterhin in Urkunden.
1402 Mai-
1403 November
2. Gefangennahme Wenzels; beteiligt: sein Bruder Sigismund
1410 Mai 18 König Ruprecht stirbt
1410/1411 Nachfolge: Doppelwahl zum römischen König
1410 September 20 Wahl Sigismunds
1410 Oktober 1 Wahl Jost von Mährens
1411 Januar 18 Jost von Mähren stirbt
1411 Juli 21 Sigismund wird römischer König; u.a. mit Hilfe seines Bruders Wenzel
1419 August 16 Wenzel stirbt in Prag

 

 

3. Einführung in die Diplomatik der Wenzelurkunden

Zur Bearbeitung der Urkunden war es im Vorfeld unabdingbar, zunächst einige inhaltliche Fragen zu klären, die für das Verständnis der Urkunden notwendig sind. Hierbei erwies sich die Arbeit von Hlavacek als außerordentlich bedeutsam. Die hier vorgestellten Aspekte beruhen im wesentlichen auf seinen Forschungserkenntnissen.
 

3.1 Der Relationskonzeptvermerk (RKV)

Hierbei handelt es sich um einen in der Regel zweiteiligen Kanzleivermerk, der in der ersten Zeile - im Relationsvermerk - den Erteiler (König) oder Übermittler (Rat, Relator) des Beurkundungsbefehls nennt und in der zweiten Zeile - dem Konzeptvermerk - das für die Erstellung der Urkunde verantwortliche Mitglied der Kanzlei. Er ist nach Hlavacek ein notwendiger Bestandteil aller Schriftstücke aus der luxemburgischen Kanzlei und kann deshalb auf allen kanzleimäßig ausgestellten Urkunden angetroffen werden (Hlavacek, S. 241). Er steht rechts unter dem Haupttext auf der Plica. Er kann entweder vom Schreiber des Mundums stammen, dann wurde keine Kontrolle des Mundums mehr vorgenommen, oder von anderer Hand stammen, was eine Kontrolle des Mundums zur Folge hatte.

Folgende Formulierungen des RKV sind in den vorliegenden Urkunden verwendet worden:

1. Im Auftrag des Königs ausgestellte Urkunden
a) De mandato domini imperatoris...
b) Ad mandatum domini regis...

2. Im Auftrag eines Relators ausgestellte Urkunden
1) Ad relationem...
2) Per dominum...


 3. Sonderform
3) Ad commissionem tocius consilii...

Liste der Relatoren und Kanzleimitglieder, in der Reihenfolge ihres Auftretens in den Urkunden (nach Hlavácek aufgelöst):

 1. Relatoren
Wenzel von Luxemburg (lantgravium Luxemburgensem)
Johannes von Jenstein (Johannem Missensem episcopum)
Borso von Riesenberg (Borssonem de Rysenberg)
Peter von Jauer (Peter Jaurensis; Petrus Jawrensis; Peter Jauweren)
Premek von Teschem (ducem Tesschinensem)
Kunat Kappler (Kepplerum magistrum monete)
Borivoj von Svinare (Borziboij de Swynare; Borziwoy de Swinarz; Borziwoi de Swinarz)
Günther von Schwarzburg (Guntherum comitem de Swarczburg)
Wenzel Králík von Burenice (Wenzel patriarcham Antiochie cancellarium; Wenceslavi decani Wissegradensis)
Sigismund Huler (Sigmundi Subcamararii)
Heinrich von Brieg (Henricum Bregensem)

 2. Kanzleimitglieder:
Nikolaus von Riesenberg (Nicolaus Camericensis)
Martin von Gewicz (Martinus scolasticus, Martinus cancellarius)
Konrad von Geisenheim (Conradus episcopus Lubikensis)
Wlachnik von Weitmühl (Wlachnico oder Wlachniko de Weytenmule)
(H. LUB prepositus cancellarius)
Hanko Brunonis aus Prag (Johannes Caminensis)
Wilhelmus Kortelangen
Johannes Lust
Franziskus von Gewicz
Bartholomäus von Neustadt (de nova civitate)
Franz, Propst von Nordhausen (Franziscus prepositus Northusen)
Johannes de Bamberg

  

 

3.2 Der Registervermerk (RV)

Der eventuell vorhandene Registervermerk diente dazu, die Kollationierung von Registereintrag und Original zu bestätigen. Er erscheint entweder in der Form eines Majuskel-R oder der Abkürzung Rta für "registrata". Oft wird der ebenfalls abgekürzte oder auch vollständige Name des Registrators hinzugesetzt. In der Regel befindet er sich im oberen Drittel der Urkundenrückseite. Aus Wenzels Kanzlei hat sich kein Register im Original erhalten. Nachrichten über sie bieten allein spätere Abschriften oder vereinzelte Erwähnungen.

 
 

3.3 Klassifikation der Schriftstücke

 

3.3.1 Die Diplome

Diplome sind mit einem anhängenden Majestätssiegel versehen. Unterschiede in der Ausstattung der Diplome (Majestätssiegel an Seidenfäden, neben den Grundformeln findet man auch Arenga, Sanctio und Indiktion) machen ein weitere Unterscheidung nach Privilegien und gewöhnlichen Diplomen möglich. Die Publicatio beginnt in der Regel mit "Notum facimus/Bekennen" oder mit "Embieten". Der Beschreibstoff ist meist Pergament.

 

 

3.3.2 Mandate

Mandate sind mit anhängenden kleinen Siegeln (Sekretsiegel) oder mit aufgedrückten kleinen Siegeln, die allerdings nicht verschließen, versehen. Sie sind in ihrer äußeren Form grundsätzlich schlichter gestaltet als Diplome. Verewigungsformel, Arenga, Sanctio fehlen, die Corroboratio ist knapper gehalten und die Registervermerke sind in ihrer graphischen Gestaltung einfacher gehalten. Die Datierung erfolgt vollständig. Nach der vollen Intitulatio folgt die Notifikation mit "Notum facimus" oder die konkrete Adresse. Mandate könne sowohl auf Pergament , wie auch auf Papier geschrieben worden sein.
Inhaltlich differenziert Hlavacek zwischen Diplomen und Mandaten folgendermaßen: "Die erste Gruppe [Diplome] bilden somit Schriftstücke der inneren [Zentral-]Verwaltung im engeren Sinne, in der zweiten Gruppe [Mandate] handelt es sich meist um Eingriffe der Zentrale in die Kompetenz der fremden und lokalen Behörden und Personen, sofern ihre Tätigkeit mit der Intention des Hofes nicht im Einklang stand oder in irgendeiner Weise beeinflußt werden sollte." (Hlavacek, S. 55)
 

 

3.3.3 Briefe

Briefe haben in der Regel bloßen Mitteilungscharakter ohne jede Rechtskraft, die gleichwohl aber formgebunden sind. Da der Inhalt eher vertraulich ist, wird zur Wahrung der Geheimhaltung und zur Beglaubigung (litterae clausae) eine verschließende Sekret-Versiegelung vorgenommen. Die Intitulatio steht zweizeilig über dem Text, alle entbehrlichen Protokollformeln werden in der Regel weggelassen. Die Datierung ist im Gegensatz zu Diplomen und Mandaten reduziert und der Ausstellungsort fehlt oft ganz. Wegen der verschlossenen Briefform steht die Adresse auf der Rückseite. Briefe sind auf Papier geschrieben.



 

 

4. Siegel

An den beschriebenen Wenzel-Urkunden wurden fünf verschiedene Siegel gefunden, die nach Posse zitiert werden:
a) Majestätssiegel: Posse II 8-1
b) Sekretsiegel: Posse II 8-2
c) Älteres Rücksiegel: Posse II 7-3
d) Jüngeres Rücksiegel: Posse II 7-4
e) Hofgerichtssiegel: Posse II 9-1/2

Fremde Siegel werden nach den in der Sphragistik üblichen Methoden beschrieben.



 

 

5. Arbeitsprotokoll

Die Urkundenübung wurde in der Zeit vom 1. April bis 30. April 1997 durchgeführt. Im folgenden sollen nun Verlauf und Vorgehensweise geschildert werden. Insgesamt wurden 80 Urkunden und 16 kopiale Überlieferungen gefunden und, wie nachfolgend dargestellt, bearbeitet.
 

5.1 Auswahl der relevanten Bestände


In einem ersten Schritt wurde anhand der Beständeübersicht des Staatsarchivs Marburg und in Zusammenarbeit mit Herrn Archivdirektor Dr. Lachmann, dem an dieser Stelle für seine freundliche Unterstützung gedankt werden soll, eine Auswahl der Bestände getroffen, die für die Aufgabenstellung relevant zu sein schienen. Folgende Bestände wurden bearbeitet; die Zahlen bezeichnen die Anzahl der gefundenen Urkunden:

Hauptabteilung I Urkunden

 
1. Hessisches Samtarchiv 21
2. Staatsarchiv Marburg  
    A. Landgrafschaft Hessen 
        I. Landgräfliches Archiv 3
        II. Hessische Kloster- und Kirchenarchive 
            Marburg Deutsch Orden 1
        V. Hessische Dörfer und Städte 
            Stadt Cassel 1
            Stadt Hersfeld 2
    I. Grafschaft Katzenelnbogen 2
    M. Stift Hersfeld 3
    O. Grafschaft Hanau 
        I. Gräfliches Archiv 
            b. Kaiserliche Privilegien und Pfandsachen 2
            d. Auswärtige Beziehungen 2
            g. Ämter, Orte und Beamte 2
            q. Passivlehen 2
        II. Fremde Archive 
            a. Dynasten und Städte 
               Stadt Gelnhausen 5
                Burg Gelnhausen1
            e. Adel 
                von Speyer-Wiss 3
    R. Reichsabtei Fulda 1
    W. Fürstentum Waldeck 2
    X. Deposita,  
        V. Familien 
            von der Tann 1
    Y. Urkundensammlung 
        Bodmann-Habel 7
Hauptabteilung II Akten 
    1. Hessisches Samtarchiv, Nachträge 8
    2. Politische Akten vor Landgraf Philipp 
        Kaiser und Reich, Karl IV. bis Albrecht 4
    340. Familienarchive und Nachlässe 
        Rau von Holzhausen 4
Hauptabteilung III Amtsbücher 
    5. Kopialbücher 16
 

5.2 Durchsicht der Repertorien

In einem zweiten Schritt wurden Repertorien durchgesehen und Hinweise auf Urkunden bzw. kopiale Überlieferungen mit Signatur und Kurzregest auf einer Karteikarte festgehalten.
 

 

5.3 Ausheben der Urkunden und Kopiare

Parallel dazu wurden bereits Urkunden und Kopiare aus den Magazinen ausgehoben und zur Bearbeitung bereitgestellt.
 

 

5.4 Festlegung der Transkriptions- und Regestierungsrichtlinien sowie der Formalbeschreibung

Nach einer ersten Durchsicht des Materials wurden im Kurs
Richtlinien für die Transkription und Regestierung der Wenzel-Urkunden erarbeitet. Diese Richtlinien erfuhren im Fortgang der Arbeit noch eine detailliertere Ausgestaltung. Das Hauptziel - eine möglichst einheitliche Bearbeitung der Urkunden und kopialen Überlieferungen von Beginn der Übung an - konnte erreicht werden.
 

 

5.5 Bearbeitung der Urkunden und Durchsicht der Kopiare

Im folgenden Schritt wurden die Urkunden und Kopiare von den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern individuell transkribiert, regestiert und formal beschrieben. Die Arbeit wurde dadurch erleichtert, daß ein lokales Netz von Personal Computers aufgebaut werden konnte, so daß eine genügend große Anzahl an Terminals eine sofortige Eingabe der Arbeitsergebnisse in den Rechner möglich machte. Dadurch wurde auch eine spätere Zusammenführung der Ergebnisse erleichtert, da Konvertierungsprobleme aufgrund verschiedener verwendeter Textverarbeitungsprogramme minimiert werden konnten.
 

 

5.6 Abgleich der Originale mit den Kopiaren

In diesem Arbeitsschritt wurde auch eine Gesamtübersicht der im Staatsarchiv Marburg gefundenen und vom Kurs bearbeiteten Urkunden und Kopiare erstellt.
 

 

5.7 Arbeiten zur Erstellung des Findbuches

Nachdem die Arbeiten an den Urkunden und Kopiaren beendet worden waren, wurde in der Gruppe ein Arbeitsplan zu Erstellung des Findbuches erstellt. Die einzelnen Arbeitsschritte wurden dann in unterschiedlich zusammengesetzten Arbeitsgruppen ausgeführt. Grundsätzlich stand hier zunächst die Fertigstellung des konventionell zu publizierenden Findbuches im Vordergrund. Darauf aufbauend wurde ein Konzept zur Publikation im Internet erstellt und durchgeführt.
 

 

5.8 Richtlinien der Transkription, Regest und Formalbeschreibung

a) Transkription b) Regest c) Formalbeschreibung

 

 

6. Auswahlbibliographie



 

 

7. Abkürzungen

Abschr. Abschrift
Ausf. Ausfertigung
gen. genannt
Kg. König
Mgf. Markgraf
Pap. Papier
Perg. Pergament
RKV Relationskonzeptvermerk
RV Registraturvermerk
Sgl. Siegel
StA Staatsarchiv

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URL:http://www.uni-marburg.de/archivschule/wenzel/wenzeleinleit.html

e-mail an Dr. Karsten Uhde, Stand: 11.05.1998